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Gert F. Bär: Visuelle Mathematik - Digitale Bilder

»Die Ästhetik ist als objektive und materiale Ästhetik gedacht, die nicht mit spekulativen, sondern mit rationalen Mitteln arbeitet.« Max Bense

Die Mathematik ist die Hohe Schule der Abstraktion. Dennoch kann abstrakte Kunst in der Regel ganz ohne Mathematik betrachtet und interpretiert werden. Das gilt ebenfalls für die digitalen Bilder von Gert F. Bär. Obwohl sich dem Betrachter der Gedanke aufdrängt, dass sich mit tieferer Kenntnis von Algorithmen oder Phänomenen der Zahlenkunst auch Bärs Bildern noch eine tiefere Ebene abgewinnen ließe, die dann allerdings näher an der Mathematik liegen würde als an der bildenden Kunst.

Doch damit kein falscher Eindruck entsteht: Es geht um alles andere als das Malen nach Zahlen. Es geht um digitale Kunst, deren Wurzeln in der Optical Art der 1960er Jahre zu suchen sind. Was damals mit Formen und Mustern den Betrachter beim längeren Hinschauen zu optischen Täuschungen verleiten sollte, hat diesen Status längst hinter sich gelassen – und das nicht nur, weil sich digitale Bildwelten mit entsprechender farbiger Figurenbildung mittlerweile fast im Handumdrehen herstellen lassen.

Bei Bär geht es um mehr. Er vereint die Möglichkeiten dieser Bildevokation mit seinem Wissen als Mathematiker. Seit 1992 hat er die Professur für Geometrie und Kinematik der TU Dresden inne. Als Künstler inszeniert er Phänomene wie die Archimedische Spirale genauso wie den Satz des Pythagoras. Sein ‚Pythagoras in der Ägäis’ (s.S. 19) steckt gar voller Witz. Ein tiefrotes Dreieck, über dem sich die Quadrate über den Katheten und der Hypotenuse in bekannter Form aufspannen, wirkt durch das große blaue Quadrat an seiner Basis wie verankert.

Bär lässt alles in einem weiten Blau schwimmen. Pythagoras in der Ägäis eben. Auch wenn das im Blau des angedeuteten Meeres verschwindende große Quadrat eher wirkt wie der größere Teil eines Eisberges, der ja auch unsichtbar bleibt unter der Wasseroberfläche.

Bär packt seine Bildwelten ab und an in einen solch naturalistisch anmutenden, dennoch abstrakt bleibenden Kontext. Auch sein ‚Fibonacci-Boot’ dümpelt über ein Meer, den ein türkisfarbener Himmel überspannt. Die Formen des Bootes und des großen, ockerfarbenen Segels erinnern dabei schon an die ‚Goldene Spirale’ von Fibonacci. Sie entsteht – so viel mathematische Aufklärung muss sein –, wenn Quadrate mit den Fibonacci-Zahlen als Seitenlänge spiralförmig aneinander gesetzt werden. So wachsen zum Beispiel Schneckenhäuser.

Es ist dieses Eintauchen in das von Bär angedeutete Naturalistische, das seinen Ansatz originell und nachvollziehbar macht. Hier geht es nicht um das Verweilen beim Dekorativen, auch wenn Bilder wie ‚Twist alpha’ oder ‚Lichtgitter’ stark dem Ornamentalen huldigen.

Bär verschiebt vielmehr die Grenzen der Op-Art. Er wirft nicht einfach farbige Geometrie aufs Blatt, sondern sorgt für optische Verwerfungen statt simpler Arabesken. Sein ‚Tektonischer Riss’, ein dunkelbrauner Doppel-Zickzack, teilt das Bild nicht, er spaltet es.

Bär lässt der Natur ihren Rohzustand, der das Bedrohliche ausdrücklich einschließt. In ‚Vermessene Landschaft’ sorgen die plötzlich aus dem Ruder laufenden Horizontalen dafür, dass das Gefühl aufkommt, die Landschaft sprenge die Nähte der Zwangsjacke, die sie mit jeder ihrer Berechnungen übergezwungen bekommt. Natur ist unberechenbar; das ist ihre Natur. Bär weiß das. Doch er nähert sich ihr. Lässt sie einfließen in seine Computerprints, ohne sie zur Gefangenen zu machen. Sein ‚Herbst’ hat etwas Brüchiges. Gezackte Formen in Blau und Violett auf ockerfarbenem Grund zeigen beides: fallende Blätter und das immer wiederkehrende Auseinanderbrechen der Natur. Mit ‚Herbst über Europa’ sucht er Ruhe in dunklen Brauntönen.

Mathematik ist die universale Sprache, um Vorgänge der Natur abstrakt, aber adäquat darzustellen. Gert F. Bär tritt an als ihr Dolmetscher ins Visuelle.

Torsten Klaus

(DNN 17.3.2007) Artikelüberschrift: Optische Verwerfungen,

Der Mathematiker Gert F. Bär zeigt digitale Bilder

www.math.tu-dresden.de/~baer/Ausstellung/webausstellung.html.

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